An(ge)dacht
Man halte nur ein wenig stille und sei doch in sich selbst vergnügt,
wie unsers Gottes Gnadenwille, wie sein Allwissenheit es fügt;
Gott, der uns sich hat auserwählt, der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.
Georg Neumark (1641 - 1657)
Liebe Leserinnen und Leser,
wir leben in sehr unruhigen Zeiten. Vieles ist in Bewegung und längst nicht alles in eine Richtung, die wir gut heißen können und wollen. Vieles beunruhigt auch mich. So beispielsweise die Tendenz – zumindest in Teilen unserer Gesellschaft – das Vertrauen in Institutionen und Mitmenschen zu verlieren bzw. sie denen abzusprechen, die nicht zum eigenen Weltbild passen.
Dieser Verlust an gegenseitigem Vertrauen macht es enorm schwer, über Meinungsverschiedenheiten hinweg miteinander in Kontakt zu bleiben. Dabei ist genau das so wichtig, um den Frieden in unserer Gesellschaft zu schaff en und zu bewahren. Mich tröstet in Anbetracht dieser Tatsache das Vertrauen, welches ich als Christ haben kann; das Vertrauen darauf, dass Gott für uns da ist. Denn das ist Glaube für mich: nicht WISSEN, dass es Gott gibt, sondern darauf VERTRAUEN. Und über dieses Vertrauen in Gottes Existenz und Wirken fühle ich mich mit anderen Christen in unserer Gemeinde, unserer Kirchenregion, auf der ganzen Welt verbunden. Und es freut mich zu erleben, wenn Menschen, die (bisher) keine Verbindung zum Christentum oder Glauben an sich hatten, sich durch dieses spürbare Vertrauen eingeladen und angenommen fühlen und sich einer kirchlichen Gruppe – sei es Chor oder Gesprächskreis - anschließen.
Von Vertrauen handelt auch der Choral "Wer nur den lieben Gott lässt walten" vom Dichter und Komponisten Georg Neumark, aus dem die vorangestellte dritte Strophe stammt. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges als "Trostlied" verfasst, fordert es den lesenden oder singenden Menschen auf, bei aller "Not und Traurigkeit" auf Gott und sein Wirken zu vertrauen. Und dieses Wirken kann uns gerade dann bewusst werden, wenn wir zur Ruhe kommen, uns auf uns und das, was uns umgibt, besinnen. Wenn wir uns auf die Suche nach "Gottes Gnadenwillen" in dieser aufgeregten Welt begeben. Dann kann uns diese Suche bei aller Unruhe um uns herum "vergnüglich" sein.
So, wie die Natur im Winter zur Ruhe kommt und auf diese Weise neue Kraft für das Aufbl ühen im Frühjahr sammelt, so kann auch uns die bevorstehende Zeit des Advents Momente der Ruhe, des "Still-Haltens" und des Kraft-Sammelns bieten, in denen uns Gott das zukommen lassen kann, "was uns fehlt".
Ich wünsche uns, dass wir diese Momente der Ruhe finden, und so Vertrauen und Kraft für das bevorstehende neue Jahr sammeln können. Damit wir wie Georg Neumark in der letzten Zeile des zitierten Liedes vertrauensvoll sagen können: "Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht."
Es grüßt Sie herzlich Friedemann Nickel